Fachsymposium 2021
EMPTY SPACES
Forschung zu Antisemitismus in Geschichte und Gegenwart
- 08.-09.11.2021
Das Fachsymposium ist ein etabliertes Format und eine seit 2015 einmal jährlich stattfindende Veranstaltung. Das diesjährige Fachsymposium setzt Geschichte und Gegenwart von Forschung zu Antisemitismus in Beziehung zum professionellen Handeln an (Hoch-)Schulen, an Gedenkstätten, in der Frühpädagogik und Jugendbildung, in der Erwachsenenbildung, in Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden.
Im Fokus steht das Bild von Empty Spaces (Leerstellen, leere Räume), welches im Programm symbolisch für die Entwicklungsgeschichte der Forschung zu Antisemitismus im deutschsprachigen Raum steht.
Gemeinsam mit einschlägigen Expert*innen wollen wir die verschiedenen Ansätze der Antisemitismusforschung in den Blick nehmen und mögliche Leerstellen kritisch diskutieren. Das Anliegen des Fachsymposiums ist damit zum einen der Rückblick in die Geschichte und zum anderen die Bestandsaufnahme und Gegenwartsfragen in der Forschungslandschaft. Neu sind die empirischen Analysen von Antisemitismus in institutionellen Kontexten wie Schule, die in einem, zuvor überwiegend historisch und theoretisch untersuchten Feld, neue Erkenntnisse hervorbringen und zur Aktualisierung des Feldes beitragen. Paradigmatisch neu ist auch die neuere Erforschung von jüdischen Perspektiven auf Antisemitismus.
Daran schließen die drängenden Fragen nach angemessenem Transfer von empirischen Forschungsbefunden in die Praxisfelder und nach der stärkeren Fundierung der bildungspolitischen Kommunikation und Vermittlung an.
Das Fachsymposium wird ermöglicht durch die Förderung des Programms „Rights Equality and Citizenship“ der Europäischen Union im Rahmen des Projekts „SPEAK UP“ mit Unterstützung von „Aktion Deutschland hilft“. Die Veranstaltung findet in Kooperation mit der Fachhochschule Potsdam und Hochschule Magdeburg-Stendal sowie dem Kompetenznetwerk Antisemitismus statt.
Wir laden herzlich alle ein, die an Forschung, Forschungstransfer und Forschungsreflexion zu Antisemitismus in unterschiedlichen Handlungsfeldern interessiert sind!
Dr. Felix Klein
(Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus)
Katharina von Schnurbein
(Antisemitismusbeauftragte der Europäischen Kommission)
Marina Chernivsky
(Kompetenzzentrum für Prävention und Empowerment)
Prof. Dr. Gideon Botsch
(Universität Potsdam)
Prof. Dr. Uffa Jensen
(Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin)
Prof. Dr. Samuel Salzborn
(Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung)
Prof. Dr. Barbara Schäuble
(Alice Salomon Hochschule Berlin)
Moderation: Shelly Kupferberg
(RBB)
Pause
Marina Chernivsky
(Kompetenzzentrum für Prävention und Empowerment)
Dr. Matthias Heyl
(Gedenkstätte Ravensbrück)
Prof. Dr. Dani Kranz
(Ben-Gurion University of the Negev)
Moderation: Prof. Dr. Friederike Lorenz-Sinai
(FH Potsdam)
Prof. Dr. Julia Bernstein
(Frankfurt University of Applied Science)
Marina Chernivsky
(Kompetenzzentrum für Prävention und Empowerment)
Prof. Dr. Katrin Reimer-Gordinskaya
(Hochschule Magdeburg – Stendal)
Moderation: Nikolas Lelle
(Amadeu Antonio Stiftung)
Pause
Leah Czollek
(Institut Social Justice und Radical Diversity)
Thomas Heppener
(BMFSFJ)
Prof. Dr. Astrid Messerschmidt
(Bergische Universität Wuppertal)
Moderation: Dr. Andrés Nader
(RAA Berlin)
Pause
Gedenkstätten zu ehemaligen Konzentrationslagern befinden sich an historischen Orten der Verfolgungs- und Vernichtungspolitik im Nationalsozialismus. Durch die Beschäftigung mit den Ereignissen am jeweiligen Ort sollen dort Entstehungsbedingungen und Ursachenzusammenhänge des Nationalsozialismus und der Shoah erschlossen und vermittelt werden. An die Gedenkstätten wird zudem die Erwartung gerichtet auch zur Prävention des gegenwärtigen Antisemitismus beizutragen und Gegenwartsbezüge herzustellen. Gleichwohl konkretisiert sich an diesen Orten die Wirkungsgeschichte des Nationalsozialismus und der Shoah besonders deutlich. So sind die Gedenkstätten nicht nur potenzielle Orte der pädagogischen Bearbeitung von antisemitischer Gewaltgeschichte und gegenwärtigem Antisemitismus, sondern auch soziale Welten, an denen Menschen antisemitische Narrative und (Sprach-)Handlungen reproduzieren.
Im Workshop können ausgewählte empirische Befunde der Studie „Unbehagen an der Geschichte? Auseinandersetzung mit gegenwärtigem Antisemitismus und Rechtsextremismus in Gedenkstätten“ zu den Erfahrungen aus der Gedenkstättenarbeit in Beziehung gesetzt und gemeinsam mit der Gruppe diskutiert werden.
Marina Chernivsky (Kompetenzzentrum für Prävention und Empowerment) im Gespräch mit Dr. Elke Gryglewski (Stiftung Niedersächsische Gedenkstätten)
In der Studie „Antisemitismus im (Schul-)Alltag – Erfahrungen und Umgangsweisen jüdischer Familien und junger Erwachsener“ (Chernivsky / Lorenz / Schweitzer 2020) werden die Perspektiven auf und Erfahrungen mit Antisemitismus von Jüdinnen:Juden in den Fokus gerückt. Es zeigt sich, dass viele Interviewpartner*innen antisemitische Situationen im Alltag erleben und Antisemitismus antizipieren. Diese empirischen Befunde decken sich mit der mehrjährigen Erfahrung aus der Beratungsarbeit der Beratungsstelle OFEK e.V. In diesem Workshop werden die Studienbefunde mit Einblicken aus der Beratungsarbeit von Betroffenen antisemitischer Gewalt und Diskriminierung verbunden. Es werden Beispiele aus dem Studienmaterial und Einblicke aus der Beratungsarbeit besprochen. Der Blick wird dabei vor allem auf die Perspektive der potenziell Betroffenen gerichtet. Fallbeispiele bilden die Grundlage für Gespräche und Diskussionen über mögliche Umgangs- und Handlungsstrategien sowohl von Betroffenen als auch von Institutionen wie Schulen.
Johanna Schweitzer (Kompetenzzentrum für Prävention und Empowerment) im Gespräch mit Tabea Adler (OFEK e.V.) und Sharon Burkhard (OFEK e.V.)
Das Projekt „Der Gang der Geschichte(n)“ untersucht Narrative zu Jüdinnen und Juden, Judentum, der Shoah und Israel in ausgewählten Herkunftsländern von Zugewanderten sowie in entsprechenden Communities in Deutschland. Dabei interessiert uns, wie sich Narrative und Diskurse verändern und welche Resonanzen und Wechselwirkungen mit deutschen Narrativen und Diskursen entstehen. In diesem Workshop liegt der Fokus auf Narrativen in Syrien und in syrischen Communities in Deutschland. Auf der Grundlage von Interviews, die 2019/2020 im Projekt in Kooperation mit dem Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt geführt wurden, werden wir besprechen, welche Narrative in Syrien dominant sind und welche Einstellungen und Haltungen sich zeigten. Diese werden kontrastiert mit Interviewergebnissen aus einem vergangenen Forschungsprojekt, in dem syrische Geflüchtete zu den selben Themen unmittelbar nach Ankunft in Deutschland 2016 befragt wurden. Es sollen Veränderungen diskutiert werden sowie die Fragen, welche Anknüpfungspunkte sich an deutsche Geschichte(n) finden und welche Konsequenzen sich aus den Ergebnissen für den Praxistransfer ergeben. Dazu fließen auch Erfahrungen aus einer Workshop-Reihe zur Auseinandersetzung mit arabisch-jüdischen Verflechtungen ein, die sich seit 2020 an Menschen mit Fluchthintergrund aus arabischsprachigen Ländern richtet. Dargestellt werden die Interessen, Themen und Zugänge der Teilnehmenden sowie Praxiserfahrungen und Grenzen des offenen Angebotes.
Dr. Sina Arnold (Zentrum für Antisemitismusforschung / Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt (FGZ)) im Gespräch mit Tanja Lenuweit (Minor – Projektkontor für Bildung und Forschung)
Secular Pilgrimage to an Israeli Memorial Site: A Miracle Cure for Anti-Semitism in German Schools? (findet auf englisch statt) Against a background of increasing anti-Semitism and right-wing extremism in Germany, every year hundreds of German teachers vie for an opportunity to travel to Jerusalem to participate in a five to ten-day seminar at an Israeli memorial site, where they encounter the Shoah from a Jewish perspective. What motivates non-Jewish German teachers, many of whom have had limited prior contact with Jews, to embark on these so-called “dark pilgrimages” subsidized by German state education ministries? Drawing on ethnographic research with German teachers in Israel and anthropological perspectives on pilgrimage, in this workshop we will discuss if, and how, learning about the Shoah in Israel on a secular pilgrimage can help teachers to combat anti-Semitism in German schools. German education ministries expect their teachers to undergo a transformative experience in Israel, but questions remain regarding how emotional, touristic experiences abroad can function as sources of reflection and pedagogical inspiration for addressing contemporary issues at home. Our discussion will center on the question of how emotion-laden experiences in educational settings can remain not only events, situational memories, or narrative points of reference but also lead to sustainable didactic processes and reflections.“
Lance Levenson (Hebrew University) im Gespräch mit Dr. Friederike Lorenz-Sinai (FH Potsdam)
Wie können Bildungsangebote gegen Antisemitismen gelingen? Im Workshop wird einleitend skizziert, wie deterministische Annahmen im Sinne von ‚wenn Arbeitsblatt, Theorie oder Methode x, dann Immunisierung gegen Antisemitismen‚ scheitern. Demgegenüber wird eine Umstellung auf reflexive Bildungserfahrungen vorgeschlagen. Diese werden an einem Beispiel gezeigt, um gemeinsam Minimalbedingungen einer reflexiven Bildungsarbeit zu erarbeiten, die auf das Erkennen, Benennen und begründete Zurückweisen antisemitischer Ressentiments abzielt – und die das mögliche Scheitern reflektiert.
PD Dr. Stefan Müller (Universität Gießen) im Gespräch mit Marina Chernivsky (Kompetenzzentrum für Prävention und Empowerment)
In dem Workshop wird in die zeitgemäß dominierende Erscheinungsform der Judenfeindschaft eingeführt, den israelbezogenen Antisemitismus. Der israelbezogene Antisemitismus markiert ein wesentliches Problem des pädagogischen Umgangs mit Antisemitismus: Er wird häufig nicht erkannt oder als „Kritik“ im Maßstab politischer Diskussionen und eines Meinungspluralismus legitimiert. Aus unserer Studie über Antisemitismus an Schulen geht deutlich hervor, dass Lehrkräfte im Umgang mit dieser Form des Antisemitismus die meisten Schwierigkeiten haben. Deshalb geht es in diesem Workshop darum, dass Kriterien, entlang deren Antisemitismus im Israelbezug erkannt werden kann, ebenso wie seine typischen Narrative herausgearbeitet werden. Auf dieser Grundlage werden Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt, die an den Spezifika des israelbezogenen Antisemitismus und typischer Abwehrmuster wie die Täter-Opfer-Umkehr ausgerichtet sind. Lehrkräfte sollen mit diesem Workshop also die Problemwahrnehmung schärfen und konkrete Handlungskompetenzen erlangen.
Prof. Dr. Julia Bernstein (Frankfurt University of Applied Sciences) im Gespräch mit Romina Wiegemann (Kompetenzzentrum für Prävention und Empowerment)
Tatsache ist, dass der Einbezug wissenschaftlicher Erkenntnisse grundlegend für eine gelungene Konzeption antisemitismuskritischer Bildungsarbeit ist. Doch wie, wenn überhaupt, wird dies umgesetzt? Mit dem Transfer von der Forschung in die Praxis ergibt sich zwangsläufig die Frage nach einer angemessenen Vermittlung. Welche Forschung und welche Erkenntnisse einbezogen werden, welchen Ansatz und welche Ziele verfolgt und welche Rahmenbedingungen vorgefunden werden, sind weitere Themen mit denen wir uns in unserer Arbeit als Bildungsreferentinnen gegen Antisemitismus auseinandersetzen. Mit unserem Workshop möchten wir die Teilnehmenden einladen sich mit uns über die Herausforderungen, Grenzen und Möglichkeiten der pädagogischen Praxis auszutauschen und unsere Arbeit kennenzulernen. Exemplarisch werden wir uns dazu eine Methode ansehen, deren didaktische Umsetzung diskutieren und gemeinsam über Bedingungen gelungener Bildungsarbeit reflektieren.
Lea Güse (Akriba, Jugendbildungsstätte LidiceHaus) im Gespräch mit Jana Scheuring (Kompetenzzentrum für Prävention und Empowerment)
Ergebnisse eines 2019 von der Hochschule Merseburg und dem Anne Frank Zentrum initiierten Forschungsprojektes zum Status quo der Politischen Bildung im Jugendstrafvollzug zeigen, dass antisemitische Einstellungsmuster von externen Bilder*innen und von Lehrer*innen in den Vollzugsanstalten als Problem wahrgenommen werden. Basierend auf diesem Befund arbeitet das Nachfolgeprojekt »Antisemitismus im Strafvollzug – Empirische Forschung und Prävention« an einer vertiefenden Untersuchung zu den Ausprägungen von Antisemitismus im Strafvollzug sowie an der Weiterentwicklung und Umsetzung von historisch-politischen Bildungsangeboten in Jugendstrafvollzugsanstal ten. Der Workshop skizziert erste Erkenntnisse, die im Zuge des Forschungsprozesses gewonnen wurden und gewährt Einblicke in die Herausforderungen für Wissenschaft und Präventionsarbeit zum Thema Antisemitismus im Kontext Haft. Im Workshop möchten wir über Ihre Perspektiven dazu in den Austausch kommen und gemeinsam Ideen entwickeln, auf deren Basis ein Transfer von Forschungsbefunden in die vollzugliche Bildungsarbeit gelingen kann.
Dr. Linda Giesel (Hochschule Merseburg) im Gespräch mit Dr. Katinka Meyer (Anne-Frank-Zentrum)